Ganz nur seiner Arbeit hingegeben und immer völlig in ihr aufgehend, verliert Rudolf Maison sich nicht gern selbst und seine Zeit in gehorsame Herrendienste oder gar in inhaltslosem Gesellschaftstreiben. Aber in der so anspruchslosen Hülle des großen Meisters steckt wahrlich ein ernster, tief denkender und auf allen Gebieten künstlerischen Schaffens überaus regsamer Geist und ein prächtiges, gutes und treues Herz. Vielleicht ist das ja auch das Beste, was man einem Künstler nachrühmen darf.
(Max Schmid, Rudolf Maison, in: Velhagen & Klasing Monatshefte, Jg. 1898, S. 11 – 12)
Die Werke und die Kunstauffassung des ruhelosen Arbeiters Rudolf Maison waren von zwei Charakteristika geprägt: einem konsequenten Naturalismus in der Form und, um diesen noch zu steigern, der polychromen Fassung seiner Plastiken. Als einer der ersten Bildhauer seiner Epoche verfolgte er beide Punkte in exzessiver Art. Maisons Vorstellung des Naturalismus lehnte jegliche künstlerische und idealisierende Interpretation des Motivs ab. Seine täuschend lebensechte Darstellungsweise spaltete Kunstwelt und Publikum.
Maison hat vielleicht am konsequentesten die Forderungen einer Richtung in der modernen Kunst erfüllt, die darauf ausging, das Gegenständliche ganz so wiederzugeben, wie es jeder mit seinen Sinnen wahrnehmen kann, nicht nur nach der Seite des optischen Eindrucks hin, sondern auch nach der Seite des Ausdrucks individueller Empfindung, einerlei, ob das Objekt im Zustande der Ruhe oder in heftiger Bewegung sich äußert.
(Illustrierte Zeitung Nr. 3164, 18. Februar 1904, S. 233)
Der Kunstauffassung wird alles untergeordnet
Um das gesetzte Ziel, den äußersten Naturalismus, zu erreichen, bediente sich Maison stets eines Modells und scheute sich zudem nicht vor der Inanspruchnahme diverser Hilfsmittel: Er legte in Gips getränkte Stofffetzen um seine Figuren, mischte, etwa bei der Gruppe Neger, von einem Leoparden angefallen, Haare in den Gips, um das Fell des Tieres lebensnäher zu gestalten, und nutzte reale Gegenstände für Gipsabformungen.
Der keinen anderen Ausweg findende Kunstjünger begann das ‚positivistische‘ Naturstudium, ganz im Sinne der modernsten Naturforscher, klammerte sich an die fast photographische Wiedergabe von Einzelheiten, konnte sich mit Fältchen, Wulsten, Narben und Zufälligkeiten nicht genug tun, selbst auf Kosten des tektonischen Baues des Körpers. Bei den Tierbildern quälte er sich mit der genauesten Charakterisierung, kennzeichnete bei seinen Pferden alle Eigentümlichkeiten der Rasse, sogar Färbung der Haare, die er, wie man behauptete, seinen Rossen überklebte, ebenso wie er die Nymphen und Wasserweiber mit echten Haaren ausstattete.
(Hyacinth Holland, Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog, in: Anton Bettelheim (Hrsg.), IX. Band vom 1. Januar bis 31. Dezember 1904, Berlin 1906, S. 193 – 198)
Unabdingbar für sein Streben nach der Naturwahrheit war die genaue Kenntnis der Anatomie. Das Interesse am Körperbau blieb zeitlebens bestehen – Akt- oder Halbaktdarstellungen ziehen sich als Konstante wie ein roter Faden durch das gesamte Œuvre. Noch akribischer als in der Wiedergabe menschlicher Anatomie widmete sich Maison der Behandlung von Pferden. Offenkundig faszinierten ihn die Huftiere in besonderer Weise, seine Exemplare wirken außerordentlich lebensecht.
Rudolf Maison geht neue Wege
Wie viele andere seiner Zeitgenossen, so war er bestrebt, neue Wege zu gehen. Auch wenn er seine Unabhängigkeit von den Epochen der Kunst deutlich postulierte, gelang es ihm natürlich nicht, gänzlich auf Orientierungspunkte und Vorbilder zu verzichten. Auffallend ist, dass er sich als Historist par excellence beweist. Er kannte die Epochen der Kunstgeschichte sehr gut, man findet Anklänge an die Antike, den italienischen Manierismus und Barock, sogar an den französischen Realismus.
Im Œuvre ist eine deutliche Entwicklung zu erkennen: von der expressiven, durch die Malerei inspirierten Vielfigurigkeit früher Arbeiten hin zu einem fokussierten, konsequenten und kompromisslosen Naturalismus, der sich in den ruhigeren, späten Arbeiten teilweise dem Einfluss der modernen Strömungen beugt.
Nicht nur die Art der Aufgaben, denen sich Rudolf Maison widmete, sondern auch sein Themenspektrum, war vielfältig. Dennoch stechen zwei Motivbereiche hervor: exotische Genreszenen, inspiriert durch die Sehnsucht nach der Fremde, der die Kolonialisierung Afrikas Vorschub leistete, sowie Protagonisten der nordischen Mythologie, in deren Umsetzung sich deutlich der Einfluss von Richard Wagners Ring-Tetralogie manifestiert. Dahinter steht das Bemühen, sich betont von den geradezu inflationär behandelten antiken Sujets zu distanzieren und neue Motivbereiche zu erschließen. Fast völlig unbekannt ist hingegen, dass Rudolf Maison auch Werke für den sakralen und sepulkralen Bereich geschaffen hat.